Redebeitrag zum Internationalen Tag gegen Polizeigewalt

 

Foto: @Pixel_Matsch

Folgender Redebeitrag wurde auf der spontanen Kundgebung anlässlich des Internationalen Tages gegen Polizeigewalt am 15.03.2021 gehalten und wurde gemeinsam mit dem Kollektiv Solidarity without Borders Oldenburg verfasst.

“Hallo in die Runde,

vorweg ein Dankeschön an alle Beteiligten für die kurzfristige Organisation dieser Kundgebung. Ich darf einen gemeinsamen Redebeitrag von der Seebrücke Oldenburg und dem Kollektiv Solidarity without Borders Oldenburg halten. Die Seebrücke prangert seit inzwischen fast drei Jahren die Festung Europa und die mörderische, verbrecherische Migrationspolitik der EU an, Solidarity without Borders hat sich letztes Jahr ab April zusammengefunden und beschäftigt sich vor allem mit der Situation in Lagern wie Moria oder auch Blankenburg bei Oldenburg und dem direkten Support der Menschen dort. An dieser Stelle wollen wir der Familie und allen Freund*innen von Qosay K. unser Mitgefühl aussprechen und unsere Solidarität zusichern.

Am Tag gegen Polizeigewalt muss auch der Abschottungskomplex der EU und die Rolle der deutschen Polizei Thema sein. Denn rassistische Polizeigewalt ist ein wesentlicher Baustein der EU-Migrationspolitik. Nehmen wir das Geschehen an den europäischen Außengrenzen. Vor fast genau einem Jahr wurden Muhammad Al-arab und Muhammad Gulzar an der griechisch-türkischen Grenze erschossen – sehr wahrscheinlich durch griechische Grenzpolizei [1] [2]. Ermittlungen gibt es bis heute nicht, die Institutionen der EU und die Bundesregierung  schweigen. Als direkte Reaktion auf die Gewaltexzesse an der griechisch-türkischen Landgrenze im März 2020, als Erdogan geflüchtete Menschen als politisches Druckmittel gegen die EU instrumentalisierte und die Grenze zu Griechenland für geöffnet erklärte, wurde Griechenland mit Lob überschüttet und von der EU-Kommission zum “Schutzschild Europas” erklärt [3]. Gleichzeitig wurden dutzende Frontex-Beamt*innen in die Region geschickt, darunter auch deutsche Bundes- und Landespolizei.

Frontex, diese Millionen schwer bewaffnete supra-nationale selbsternannte Superpolizei, die von ihrer Überwachungszentrale in Warschau aus über Satellitenbilder seenotleidenden Menschen im Mittelmeer in Echtzeit beim Ertrinken zuschaut oder sie der sogenannten libyschen Küstenwache ausliefert, die Fliehende zurück in grausame Folterlager verschleppt [4]. Die Verbrechen von Frontex unter treuer Beteiligung deutscher Polizei könnten ganze Vorträge füllen. Auf den griechischen Ägäis-Inseln zum Beispiel sind ebenfalls regelmäßig deutsche Polizist*innen stationiert, um sich mit anderen Frontex-Beamt*innen in den inhumanen Lagern an der Befragung von asylsuchenden Menschen zu beteiligen – wobei wie schon vor Jahren bekannt wurde skrupellose Befragungstechniken angewendet werden [5]. Es gibt aber noch ganz andere Wege, wie deutsche Polizei Gewalt gegen fliehende Menschen ausübt und unterstützt. In Kroaten werden Menschen seit Jahren systematisch und extrem brutal von kroatischer Polizei über die Grenze zurück nach Bosnien-Herzegowina geprügelt, anstatt ihnen ihr Recht auf Asylantragstellung zu gewähren [6]. Die Berichte von diesen Pushbacks sind so grausam, dass ich sie selbst mit Triggerwarnung nicht wiedergeben möchte [7]. Das Border Violence Monitoring Network at Ende letzten Jahres ein Buch mit 1500 Seiten mit diesen Berichten gefüllt – und das ist nur der erste Band [8]. Nun könnte mensch meinen, dass solche Verbrechen von der deutschen Bundesregierung scharf verurteilt werden und Aufklärung gefordert wird. Weit gefehlt. Stattdessen hat das Bundesinnenministerium alleine 2019 und 2020  im Rahmen sogenannter polizeilicher Ausstattungshilfe 10 Wärmebildgeräte und 20 Geländewagen im Wert von rund 1,2 Millionen Euro für den kroatischen “Grenzschutz” gespendet [9]. Mit genau diesem Gerät werden Menschen in der Grenzregion aufgespürt, gejagt und zurück in die Obdachlosigkeit in bosnischen Wäldern geprügelt!

Doch wir brauchen nicht bis nach Kroatien oder Griechenland schauen, um Polizeigewalt im Zusammenhang mit Migrations- und Asylpolitik zu benennen. Nehmen wir nur die gewaltvollen Abschiebungen direkt vor unser aller Augen, durchgeführt von deutschen Polizist*innen. Erst letzte Woche wurden 27 Menschen bei Nacht und Nebel und fast ohne Zeug*innen vom Flughafen Hannover-Langenhagen aus nach Afghanistan abgeschoben [10] – das Land auf dem letzten Platz des Global Peace Index, in dem letztes Jahr fast 10.000 Zivilist*innen bei Anschlägen und Kämpfen ermordet und verletzt wurden [11]. Um die Kaltblütigkeit dieser Praxis zu verdeutlichen: Während der vorletzte Abschiebeflieger am 10. Februar in Kabul landete, detonierten in der gleichen Stadt mehrere Bomben und töteten zwei Menschen [12]. Was für ein Land, was für eine Exekutive tut Menschen diese Gewalt an? Denn genau das ist jede Abschiebung: Gewalt! Und jede einzelne Abschiebung, diese verbrecherische, rassistische Politik, wird umgesetzt und durchgeführt von den gehorsamen Beamt*innen bei Ausländerbehörde und Polizei!

Wir müssen der Normalisierung von Abschiebungen, Pushbacks, Polizeigewalt und Abschottung unsere Entrüstung, unsere Wut und vor allem unsere Solidarität entgegensetzen! Egal mit welchem zynischen Begriff die Gewalt relativiert werden soll, wir müssen sie weiter als das benennen, was sie ist: Gewalt. Lasst uns also weiter gemeinsam und solidarisch gegen jede Abschiebung, gegen Polizeigewalt hier und an den Außengrenzen der EU, gegen Frontex und gegen die Festung Europa auf die Straße gehen! Lasst uns laut sein und uns in praktischer Solidarität üben! Bewegungsfreiheit allen Menschen!”