Redebeitrag Seebrücke Oldenburg vorm Parteibüro der SPD Oldenburg

Demo gegen die rassistische Grenzpolitik der EU – 10. Dezember 2021

Moin! Mein Name ist […] und ich darf heute einen kurzen Beitrag für die Seebrücke Oldenburg halten. 

 

Anfang dieser Woche kam die Nachricht, dass es ein 14. offizielles Todesopfer der Abschottungspolitik an der nordöstlichen europäischen Außengrenze gibt: Eine 38-jährige kurdische Geflüchtete starb im Krankenhaus Hajnówka, nahe der belarussischen Grenze. Ihr Name war Avin Irfan Zahir, sie war im November schwanger im Wald aufgefunden worden, erlitt eine Fehlgeburt und rang dann noch Tage lang um ihr Leben. Unsere Trauer und unser Mitgefühl gilt ihr und ihren Freund*innen und Familienangehörigen. Und uns erfasst unglaubliche Wut. Wut auf eine Politik der Abschottung, die mordet. Nicht im metaphorischen Sinne, sondern ganz konkret. Menschen sterben aufgrund konkreter politischer Entscheidungen. Jeden – verdammten – Tag! Oft aber nicht mit Waffengewalt, sondern durch grausame, bewusste und kalkulierte Unterlassung und Behinderung von Hilfe.

Wir alle wissen genau, dass beinahe tagtäglich Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil Europa sich weigert sichere Wege der Einreise zu schaffen oder zumindest Seenotleidende konsequent zu retten. Auch an der polnisch-belarussischen Grenze lässt man die Menschen bei Temperaturen, die bald auf weniger als -10 Grad fallen, erfrieren. Diese unvorstellbare Unmenschlichkeit wird dadurch gerechtfertigt, dass Migration über Jahre als ultimative Bedrohung und Sicherheitsproblem dargestellt wird. Das Sterben an den Grenzen wird als bedauerlicher, aber nicht zu ändernder Zustand dargestellt, gleich einem Naturphänomen. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer sagte dazu im November 2021, die Gesellschaft müsse die Bilder notleidender Menschen aushalten. Dazu sagen wir nur eines: Nein, müssen wir nicht und werden wir nicht!

 

Die SPD, vor deren Büro wir hier demonstrieren, warb zur Bundestagswahl 2021 mit folgender Aussage in ihrem Parteiprogramm, Zitat: „Wir werden die Genfer Flüchtlingskonvention verteidigen.“ Parallel dazu werden Menschen auf der Flucht täglich an den EU-Außengrenzen entmenschlicht, entrechtet, kriminalisiert, gedemütigt, gefoltert, ermordet und zwischen den Fronten internationaler Machtpolitik zerrieben! Im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung heißt es, man wolle die illegalen Zurückweisungen und das Leid an den Außengrenzen beenden. Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, müsse inhaltlich geprüft werden. Die EU und Deutschland dürften nicht erpressbar sein. Und man wollen natürlich verhindern, dass Menschen für geopolitische oder finanzielle Interessen instrumentalisiert werden.“ Parallel dazu lässt die EU schutzsuchende Menschen lieber sterben, als ihnen zu helfen und sich damit vermeintlich „erpressbar“ zu machen – und erfüllt damit das politische Kalkül des Lukaschenko-Regimes!

 

Auch die SPD in Oldenburg äußerte sich in der Vergangenheit mehrfach zum Thema Flucht und Asyl. So steht in ihrem Zukunftsprogramm zur Kommunalwahl 2021. Zitat: „Wir wollen einen Prozess zwischen Rat, Verwaltung und Zivilgesellschaft ins Leben rufen, um ein eigenes Konzept von Oldenburg als sicherem Hafen, mit eigenen Zielen und Selbstverpflichtungen auszuarbeiten“ Auch Oberbürgermeister Krogmann sagte erst vor einem Jahr in einem Pressestatement anlässlich der Situation in den griechischen Lagern – Ich zitiere: „Wir brauchen ein entschlossenes und gemeinsames Handeln. Wir wollen mit gutem Beispiel vorangehen und konkrete Hilfe anbieten“. Parallel dazu werden an den EU-Außengrenzen Natodraht-Zäune hochgezogen. Jeden Tag leiden die betroffenen Menschen und unendlich viele Hoffnungen und Träume platzen mit jeder Sekunde, die sie weiter in dieser Situation aushalten müssen. Einen Aufschrei der Empörung aber haben wir von Krogmann nicht gehört. Im Grunde haben wir einfach gar nichts gehört.

 

Mittlerweile hat die SPD auf Bundesebene die meisten Stimmen im Parlament und stellt den Bundeskanzler Olaf Scholz. In Oldenburg hält die SPD die zweitmeisten Stimmen im Stadtrat und stellt den Oberbürgermeister Jürgen Krogmann. Die SPD hat also Versprechen gemacht und die Bevölkerung hat ihr die Macht übertragen, diese in die Realität umzusetzen. Deshalb ist es auch so schwierig nicht zynisch zu werden, wenn man die aktuelle Kluft zwischen Versprechen und der Realität an den europäischen Außengrenzen betrachtet. Und deswegen fordern wir von der SPD sowohl bundesweit als auch in Oldenburg, dass diesen Versprechen endlich Taten folgen!

 

Doch natürlich dürfen wir uns nicht mit dem Stellen von Forderungen begnügen, denn viel zu oft verhallen sie wirkungslos und unsere Appelle zerschellen an der Trägheit des rassistischen Status Quo. Deshalb gilt es sich zu organisieren und zusammenzuschließen! Wir müssen Themen zusammen denken und Kämpfe verbinden. Eine solidarische Praxis entwickeln und praktisch solidarisch sein. Umso mehr freuen wir uns, heute hier mit euch zu stehen und hoffen auf viele weitere Aktionen. 

 

Von Moria bis Blankenburg, von Lampedusa bis Belarus – Bewegungsfreiheit für alle Menschen! Brick by Brick, Wall by Wall, make the fortress Europe fall!