500 Tage nach dem Brandanschlag in Blankenburg – Ein wütender Rückblick

Heute vor 500 Tagen, in der Nacht vom 28. auf den 29. Mai 2021, kam es im sogenannten Ankunftszentrum im ehemaligen Kloster Blankenburg in Oldenburg (ein Standort der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen) zu einem Brandanschlag mit zwei Brandsätzen. Betroffen war neben einem leeren Gebäude auch eines, in dem zu diesem Zeitpunkt Menschen schliefen. Nur mit Glück wurde keine*r körperlich verletzt [1]. Bis heute sind uns keine Ermittlungsergebnisse zu Blankenburg bekannt. Eine öffentliche Aufarbeitung blieb von Seite der Kommunalpolitik unserer Wahrnehmung nach fast vollständig aus.

Dabei stand der Brandanschlag in Blankenburg angesichts der rechten Anschlagsserie im Bremer Umland – in Syke, Gnarrenburg und Ganderkesee waren in den Monaten davor Brandsätze auf migrantisch betriebene Restaurants geworfen worden – eindeutig unter dem Verdacht rechtsextremen Terrors. In einem taz-Artikel wurde der Flüchtlingsrat Niedersachsen wie folgt zitiert: „Dass das Anschlagsziel eine Unterkunft für Asylsuchende war, ist aus unserer Sicht kein Zufall (…). Wir werten den Brandanschlag daher als rechtsextreme und rassistische Tat.“ [2]

Als Reaktion auf den Brandanschlag gab es in Oldenburg zwei Solidaritätsdemos, eine breite Solidarisierung der Stadtgesellschaft blieb dort jedoch aus [3]. Das inzwischen aufgelöste Kollektiv „Solidarity without Borders Oldenburg“ (Sowib-OL) organisierte über Monate sowohl öffentlichen Druck als auch Betroffenenarbeit und Austausch [4]. Im Stadtrat Oldenburg allerdings wurde konstant abgewiegelt, ein Dringlichkeitsantrag wurde abgelehnt und eine Solidaritätserklärung mit den betroffenen Menschen in Blankenburg mit 20 Enthaltungen nur leidenschaftslos angenommen [5]. Erst eine Intervention in der Einwohner*innenfragestunde von Sowib-OL brachte das Thema überhaupt in einer Ratssitzung auf die Agenda – die Reaktionen reichten dann von Relativierung der Umstände über Täter-Opfer-Umkehr bis Verweigerung jeder Verantwortungsübernahme für den Standort Blankenburg und die Menschen dort [6].

Etwa zwei Monate nach dem Anschlag berichtete ein Mensch, der in Blankenburg leben musste, im Radio Corax von der Situation dort: „Das Leben im Camp ist ein Leben in der Hölle, denn dieser Ort ist einfach nicht gut für uns. Wir können nirgendswo hin und auch mit niemandem reden. Wir sind frustriert.” [7] In einem offenen Brief forderten kurz darauf 20 linke Gruppen und Initiativen aus Oldenburg vom Stadtrat und der Oldenburger Öffentlichkeit: „Der Zustand von Diskriminierung, Isolation, Angst und Kontrolle muss sofort beendet werden. Die Bedrohungslage durch rechten Terror darf nicht länger ignoriert werden. Solidarität mit den Menschen in Blankenburg!“ [8]

Seit dem Anschlag sind nun 500 Tage vergangen. Berichterstattung oder Öffentlichkeit gab es, soweit wir wissen, keine mehr. Weder Stadtrat noch einzelne Ratsmitglieder oder der Oberbürgermeister scheinen sich dafür zu interessieren. Rückblickend ein Tiefpunkt für ein sich als solidarisch verstehendes Oldenburg und ein brandgefährlich nachlässiger Umgang mit der konstanten Gefahr rechten Terrors! Vor dem Hintergrund der Vielzahl rechter Anschläge, Morde und Pogrome (nicht nur) seit den 90ern und den gesellschaftlichen Umgang mit den Betroffenen, ist das Desinteresse an der Gefährdungssituation der Menschen in Blankenburg eindeutig als rechte Kontinuität zu bewerten. In diesem gesellschaftlichen und politischen Klima werden Nazis weiterhin Feuer legen und morden, ohne dass ernsthafte Konsequenzen wahrscheinlich sind.

Am 14. Oktober jährt sich auch der Anschlag auf ein Lokal in Ganderkesee. Unter dem Hashtag #rechtebrandstiftungstoppen finden sich ab dem Jahrestag weitere Informationen dazu in den sozialen Medien. NIKA Oldenburg hat außerdem eine längere Broschüre zu den rechten Kontinuitäten der Gemeinde Ganderkesee verfasst [9]. Zu dem Geschehen um den Brandanschlag in Oldenburg findet sich auf dem Blog von Sowib-OL ein chronologisch sortiertes Archiv [10].


Quellen:

[1] https://oldenburgernachrichten.de/7041/brandanschlag-auf-unterkunft-fuer-gefluechtete/?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter
[2] https://taz.de/Brandanschlag-auf-Fluechtlingsunterkunft/!5775899/
[3] https://www.nwzonline.de/plus-oldenburg-stadt/oldenburg-brand-in-blankenburg-demonstranten-solidarisieren-sich-mit-gefluechteten_a_51,1,2936873586.html
[4] https://sowibol.noblogs.org/post/2021/07/02/kurzbericht-treffen-zu-blankenburg/
[5] https://www.nwzonline.de/plus-oldenburg-stadt/oldenburg-nach-feuer-ii-politik-sieht-fuer-schnelle-resolution-keine-dringlichkeit_a_51,1,3008109106.html
[6] https://sowibol.noblogs.org/post/2021/07/20/pressemitteilung-zur-stadtratssitzung-am-19-07-2021/
[7] https://sowibol.noblogs.org/post/2021/07/25/radiobeitrag-radio-corax-im-gesprach-mit-ehemaligem-bewohner-blankenburgs/
[8] https://sowibol.noblogs.org/post/2021/07/26/offener-brief-von-nika-ol-whv-und-sowib-ol/
[9] https://www.nationalismusistkeinealternative.net/wp-content/uploads/2021/08/Ganderkesee.Eine-Gemeinde-mit-rechter-Kontinuitaet.pdf
[10] https://sowibol.noblogs.org/blankenburg/brandanschlag/